Unterbringung von Flüchtlingen in Pullach – Notizen zur Gemeinderatsitzung vom 19. Januar 2016
Gemeinderat Most brachte als Sprecher der CSU-Fraktion einen Dringlichkeitsantrag ein, der sinngemäß fordert (der Antrag lag dem GR nicht in schriftlicher Form vor!), dem Landrat die Herausgabe der Turnhallen in Pullach für die Unterbringung von Flüchtlingen zu verweigern und erneut weitere Möglichkeiten einer kurzfristigen Unterbringung von Flüchtlingen zu überprüfen.
Der Antrag wurde im Gemeinderat äußerst kontrovers diskutiert. Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (GRÜNE) stellte klar, dass aktuell keine Traglufthallen zur Errichtung auf Gemeindegrund zur Verfügung stünden, um die Nutzung der Turnhallen in Pullach für die Unterbringung von Flüchtlingen zu vermeiden. Die kurzfristige Beschaffung von Containern ist aktuell wohl auch kaum möglich, schließlich geht es bei der vom Landrat geplanten Nutzung von Turnhallen im Landkreis um eine notwendige kurzfristige Maßnahme. Hier werden insbesondere die Gemeinden in den Blick genommen, die ihre Unterbringungsquote noch nicht erfüllt haben.
Gegen die Beschlagnahmung von Turnhallen, so die Einschätzung der Bürgermeisterin, gibt es rechtlich keine Einspruchsmöglichkeiten. Gemeinderäte der GRÜNEN und der SPD betonten, dass die aktuelle Situation auch dem Umstand geschuldet ist, dass seit Monaten eine Entscheidung für den Bau von Unterkünften auf Gemeindegrundstücken vom Gemeinderat vertagt wurde (gegen die Stimmen der GRÜNEN und der SPD).
Gegen die inzwischen mögliche Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Gelände des Gewerbeparks an der Isar sprach sich GR Schonert (GRÜNE) aus. Die dringend notwendigen Maßnahmen zur Integration der Flüchtlinge sind in seinen Augen in dieser abgeschiedenen Lage nicht möglich. GR Müller-Klug (GRÜNE) betonte die Verantwortung der Gemeinde(-Räte), sich in dieser Sache den notwendigen Entscheidungen nicht erneut zu verschließen.
Wir denken, dass sich der Gemeinderat gegenüber den Bürgerinnen Pullachs einstimmig als dem Grundgesetz und der Genfer Flüchtingskonvention verpflichtet positionieren sollte, auch um den inzwischen vereinzelt erkennbaren extremen Äußerungen zur Behandlung und Unterbringung von Flüchtlingen (siehe ein hierzu verteiltes Flugblatt in Pullach, das sich gegen eine Unterbringung von Flüchtlingen in einem Gebäude in der Flurstraße wendet) frühzeitig entgegenzutreten.
Wir lehnen zugleich die Ausführungen des GR Betz (FDP) ab, der Pullach quasi als „Opfer“ eines Landkreises stilisierte, der nach Gutdünken die Lasten der „Flüchtlings-Lawine“ auf die Gemeinden abwälzen würde. Wie GR Helmerich (SPD) betonen auch wir, dass sich Pullach in einem einem politischen und durch Verwaltungsgliederung strukturierten Gefüge solidarisch und verantwortlich zeigen muss und es nicht darum gehen kann, „welche Möglichkeiten wir als Gemeinde haben, unseren Anteil im Landkreis nicht zu erfüllen„
Solidarität statt Abschieben der Verantwortung ist nach unserem Dafürhalten der richtige Weg für die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen!
Der Antrag von GR Most (CSU) wurde mit 10 zu 9 Stimmen knapp angenommen. Gegen den Antrag gestimmt haben die Fraktion der GRÜNEN, die Bürgermeisterin, die Fraktion der SPD und GR Schuster (WIP).
Die Presse berichtet zu diesem Tagesordnungspunkt:
SZ vom 22. Januar 2016
„Angesichts der momentanen Stimmung möchte er (Landrat Göbel, d. Verfasser) nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Flüchtlinge statt in Turnhallen in Bierzelten unterzubringen, wie von der Pullacher CSU angeregt, jedoch hält er für unsinnig. Aus allen Kommunen seien inzwischen Vorschläge für Unterkünfte eingegangen, „aus Pullach nicht. Es geht nicht mit einzelnen Wohnungen, das wird nicht funktionieren“. Der Kreis wolle jedoch nichts gegen die Gemeinden durchsetzen, „wir sitzen alle in einem Boot“. Auch von neuen Verteilungskriterien hält Göbel nichts. Erst am Mittwoch hätten alle 29 Bürgermeister „mit überwältigender Mehrheit“ beschlossen, den bisherigen Schlüssel beizubehalten.“
SZ vom 21. Januar 2016 (Martin Mühlfenzl)
„Der Beschluss des Pullacher Gemeinderats grenzt an unterlassene Hilfeleistung. Allen voran die CSU in der Gemeinde erweckt den Eindruck, sie würde aus Berechnung handeln. Schließlich wäre der Landkreis im nächsten Schritt gezwungen, die Turnhalle zu beschlagnahmen – und mit dem Zorn vieler Bürger im Rücken könnten die Christsozialen, so der Eindruck, vorwurfsvoll auf den Landkreis zeigen. Das ist unterstes Bierzeltniveau und vergiftet das gesellschaftliche Klima. Pullachs Gemeinderäte sollten lieber ihre Hausaufgaben bei der Unterbringung von Flüchtlingen erledigen.“
Münchner Merkur Online, Andrea Kästle (LINK):
„Nach langer Diskussion wurde dann schließlich abgestimmt über den Antrag der CSU. Er wurde knapp bestätigt. Die Mitglieder von SPD und Grünen, die dagegen votiert hatten, baten darum, dass ihre Namen alle im Protokoll erwähnt werden. „Aus Scham“, erklärte Helmerich.“
UPDATE: Unser Fraktionsmitglied Willi Wülleitner (GRÜNE) erkundet aktuell Optionen, zeitnah Container für eine Unterbringung von Flüchtlingen auf den im Gemeinderat vorgestellten Grundstücken zu beschaffen. Ob sich damit die nicht wünschenswerte Unterbringung in einer Großunterkunft verhindern lässt, steht allerdings offen. Kein Wunder, wenn notwendige Entscheidungen seit Monaten verschoben werden, dann ist man eines Tages getrieben von den äußeren Umständen. Schade!
Nachtrag: Definition Flüchtling auf Wikipedia
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